Zum Rückzug Angela Merkels vom CDU-Parteivorsitz

Bundesminister a.D. Christian Schmidt MdB gegenüber der Nürnberger Zeitung

30.10.2018, 15:32 Uhr

 "Mit ihrer Erklärung hat Angela Merkel allen den Wind aus den Segeln genommen, die sie bis zum CDU-Parteitag im Dezember quasi vor sich hergetrieben hätten. Es wird jetzt mehr der Blick auf Grundsätzliches gerichtet werden: Auf ihre Erfolge, gerade in der europäischen und internationalen Politik, auch auf die Vollendung der deutschen Einheit, die sie als die erste Parteichefin aus dem Osten Deutschlands gestaltet hat. Sie ist eine Meisterin der schwierigen Arbeit in der Europäischen Union. Ich weiß als langjähriges Regierungsmitglied und als Mitglied des Präsidiums der Europäischen Volkspartei (in der alle europäischen christdemokratischen, christlich-sozialen und liberal-konservativen Parteien versammelt sind), welch entscheidendes Gewicht Angela Merkel hier zukommt. 

Der oder die Nachfolger/in tritt an dieser Stelle in sehr große Fußstapfen. Man wird sehen, wie sich ihre Kanzlerschaft in dieser Legislatur weiter entwickelt. Es bleibt aber dringend notwendig, dass die Union vor allem den Stil der Regierungsarbeit ändert. Seit der Bundestagswahl 2017 ist uns der Faden hierfür irgendwie verloren gegangen.
 
Wir müssen mit einem neuen Start wieder Vertrauen in die Verlässlichkeit der Entscheidungen entstehen lassen. Der Blick muß nach vorn zu den Zukunftsfragen des 21. Jahrhunderts gehen. Hierfür stand Angela Merkel in guten Zeiten: unsere Wirtschaft und Gesellschaft im digitalen Zeitalter (in dem andere Weltregionen und -konzerne das Sagen haben), Umwelt-und Klimafragen und auch die unvorstellbaren Risiken der internationalen Politik. Im Gegensatz zu manchem Gefühl, als ob Deutschlands Aufgaben nur noch aus Flüchtlingsthemen besteht, sind es diese wichtigen Themen, die sie nicht mehr richtig platzieren konnte, auch wenn sie das wollte.
 
Die CDU braucht auch eine Stärkung ihres christdemokratischen und konservativen Profils und eine Bestätigung der sozialen und kulturellen Grundlagen unserer Gesellschaft. Angela Merkel hat vieles in die richtige Richtung bewegt; manche Frage ist aber im politischen Diskurs unbeantwortet geblieben. Das muss in der Nachfolge nachgeholt werden. Auch wir in der CSU haben zu diesen Sachthemen Nachholbedarf."